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SCHWERPUNKT PRÄZISIONSONKOLOGIE




            Molekulare Diagnostik –


            Welche Mutationen sind therapieentscheidend


            und wie werden sie behandelt?



            Die molekulare Diagnostik zur Identifikation onkogener Treiber gewinnt in der Krebstherapie
            einen immer höheren Stellenwert. Behandelbare genetische Alterationen werden bei

            vielen Tumorarten heute bereits routinemäßig getestet – unter anderem beim nicht-klein-
            zelligen Lungenkarzinom (NSCLC), Mammakarzinom, malignen Melanom sowie beim
            Kolonkarzinom. Auch zeichnet sich ab, dass die zielgerichtete Therapie bei Nachweis einer
            Treibermutation die Chemotherapie zunehmend aus den ersten Therapielinien verdrängt.


            Autor: Prof. Dr. med. Uwe M. Martens




            Therapieentscheidende onkogene Alterationen finden
            sich aktuell vor allem in folgenden Genen:




             EGFR                                                BRAF


            Beim NSCLC weisen rund 10 % der Tumore eine akti-   Eine Mutation im Codon V600 des BRAF-Gens findet sich
            vierende EGFR-Mutation auf, die mit einem sehr guten   bei einer Reihe von verschiedenen Tumoren. Der Nach-
            Ansprechen auf eine zielgerichtete Therapie mit EGFR-   weis gelingt bei ca. 45 % der malignen Melanome. In der
            Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) einhergeht. Die Über-  metastasierten Situation kommt es unter der Therapie
            legenheit der zielgerichteten Therapie mit Gefitinib,   mit einer BRAF-/MEK-Kombination bei  rund  zwei Drit-
            Erlotinib sowie Afatinib wurde in zahlreichen Studien   tel der Melanom-Patienten rasch zu einem objektiven
            demonstriert. Sowohl Ansprechraten und PFS als auch   Ansprechen. Mit Vemurafenib plus Cobimetinib, Dabra-
            die Lebensqualität waren unter der jeweiligen TKI-The-  fenib plus Trametinib und Encorafenib plus Binimetinib
            rapie in der Erstliniensituation gegenüber einer platin-  stehen inzwischen 3 zugelassene Kombinationen zur
            haltigen Standard-Chemotherapie signifikant und kli-  Verfügung.
            nisch relevant verbessert. Aktuell wird in den deutschen
            und europäischen Leitlinien noch keine endgültige   Auch bei ca. 2 % der NSCLC-Patienten liegt eine BRAF
            Empfehlung zur Auswahl des Erstlinien-TKI bei aktivie-  pV600E Mutation vor. Im metastasierten Stadium stellt
            renden  EGFR-Mutationen gegeben, die amerikanischen   die Kombinationstherapie aus Dabrafenib plus Trame-
            NCCN-Leitlinien hingegen präferieren mit Osimertinib   tinib aufgrund ihrer Wirksamkeitsdaten aktuell eine
            bereits einen TKI der dritten Generation.           wichtige Therapieoption dar und sollte in der Erstlinie
                                                                bevorzugt eingesetzt werden.

                                                                Beim Kolonkarzinom ist bei ca. 10 % der  Patienten
                                                                eine V600E-Mutation im  BRAF-Gen nachweisbar, was
                                                                in der metastasierten Situation mit einer sehr ungüns-
                                                                tigen Prognose assoziiert ist. Kürzlich wurde gezeigt,
                                 Prof. Dr. med. Uwe M. Martens  dass die Kombination aus Encorafenib (+/- Binimetinib)
                                                                plus Cetuximab in dieser  Patientengruppe sowohl die
                                 Tumorzentrum Heilbronn-Franken
                                 SLK-Kliniken Heilbronn GmbH    Ansprechrate als auch das Gesamtüberleben im Ver-
                                 MOLIT Institut für personalisierte   gleich zu einer Standardchemotherapie plus Cetuximab
                                 Medizin                        signifikant verbessert.


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