Page 9 - VISION Ausgabe 5
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SCHWERPUNKT PRÄZISIONSONKOLOGIE



                                                                                  Prof. h.c. Dr. Markus Tiemann
                                                                                  Geschäftsführer und Pathologe der
                                                                                  Hämatopathologie Hamburg










                                                                                  Dr. rer nat. Markus Falk
                                                                                  Molekularbiologe
          Präzision ist erforderlich –                                            Leitung Forschung und Entwicklung, seit
          und hat ihren Preis                                                     12 Jahren tätig in der Hämatopathologie
                                                                                  Hamburg
                                                                                  Schwerpunkt solide Tumore
          Das Next Generation Sequencing (NGS) stellt die dafür not-
          wendige Präzision bereit. Einerseits können hohe Sensi-
          tivitäten bis zu ca. 0,1 % erreicht werden, d.h. 1 mutiertes
          Allel in 1000 Wildtyp-Allelen. Diese Genauigkeit ist bei-
          spielsweise für den ctDNA Test (Liquid Biopsy) von Blut-
          plasma unerlässlich, für die Analyse von Tumorgewebe
          reicht zumeist eine Sensitivität von ca. 3 – 5 %. Zudem
          können in einem typischen NGS-Lauf mehrere hundert
          Gene von vielen Patienten (z.B. 80 oder mehr) zeitgleich
          durchgeführt werden. Die umfassenden Sequenzierdaten   In größeren Pathologien ist diese Technologie seit
          haben allerdings neben dem monetären (ca. 2000 Euro   einigen Jahren Standard und zunehmend alternativlos.
          pro Patient) auch einen zeitlichen „Preis“: Die derzeitige   Immer mehr umfangreiche genetische Biomarker, die
          Bearbeitungszeit (von Probeneingang bis zum pathologi-  durch  konventionelle  molekulargenetische  Verfahren
          schen Befund) liegt bei etwa 10 Werktagen. Dafür sind   schlicht nicht mehr nachweisbar sind (z.B. HRD, homo-
          jedoch komplexe Biomarker wie TMB (tumor mutational   logous recombination deficiency), werden Einzug in die
          burden) oder NTRK-Fusionen inkludiert und werden auto-  Routinediagnostik halten.
          matisch mitgetestet.
                                                             Wann lohnt sich die Methode und
          Einsatz in der Tumordiagnostik                     wann sind Alternativen sinnvoller?


          NGS eignet sich zum Nachweis von Genalterationen bei   Lohnend ist ein NGS-Panel vor allem bei Tumorentitäten
          hämatologischen wie soliden Neoplasien. Es gibt kaum   mit vielen möglichen relevanten Genalterationen – das
          Limitationen bei der Art des Untersuchungsmaterials,   Lungenkarzinom ist hierfür ein klassisches Beispiel. Für
          eine gewisse DNA-Menge (ca. 200ng) jedoch, ist obli-  Fragestellungen eng umschriebener „hotspot“ Mutatio-
          gat. Die jeweiligen Panels sind kombinierbar und durch   nen (z.B. NPM1-Quantifizierung nach Induktionsthera-
          die Bestimmung der Allelfrequenz ist sogar eine Quan-  pie bei der AML) eignen sich eher „schlankere“ diagnos-
          tifizierung der Genmutationen möglich (z.B. wichtig   tische Verfahren. Hier ist der Einsatz der sehr sensitiven
          bei Verlaufskontrollen, MRD, minimal residual disease –   digitalen PCR zielführender, weil diese schneller und
          Minimale Resterkrankung). Die Untersuchung der MRD   kostengünstiger umsetzbar ist.
          besitzt prognostische Aussagekraft und ermöglicht die
          Früherkennung eines Rezidivs nach Therapieversagen
          bei  Patienten  mit  Leukämien.  Das  NGS  erlaubt  hier
          einen besonders „tiefen Blick“ und kann MRD zuverläs-
          sig z.B. am peripheren Venenblut nachweisen.
                                                             Das sich rasant entwickelnde Feld der Präzi-
                                                             sionsonkologie kann nur als interdisziplinärer
                                                             Ansatz vorangetrieben werden. Die Molekular-
                                                             pathologie mit dem NGS als zentrale Methodik
                                                             wird in Zukunft einen zunehmend wichtigen
                                                             Stellenwert einnehmen.


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