Page 5 - VISION 2 Machbarkeit von Klinischen Studien
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SCHWERPUNKT MACHBARKEIT VON KLINISCHEN STUDIEN



          Der Goldstandard zur Beurteilung pharmakologischer   Biomarkern erschweren IITs, die in der Regel Thera-
          Effekte in der Onkologie ist nach wie vor die randomi-  pieoptimierungsstudien darstellen oder Effektivität und
          sierte klinische Studie. Klassisch erfolgt in einer Phase   Verträglichkeit der jeweiligen Therapieschemata bei den
          3 Studie der Vergleich der gegenwärtigen Standardthe-  in  Zulassungsstudien  ausgeschlossenen  Patientenpopu-
          rapie mit dem primären Endpunkt der Verlängerung des   lationen prüfen. Insbesondere die nicht-Studienpopula-
          Gesamtüberlebens.                                  tion, also Patienten mit Komorbiditäten, Hirnmetastasen,
          In der rasanten Entwicklung der Onkologie wird dieser   höherem Alter oder moderatem Allgemeinzustand macht
          über Jahrzehnte bewährte Pfad zunehmend holprig. Die   in der täglichen Praxis den Hauptteil der Patienten aus.
          molekulare Diagnostik erlaubt uns, eine einst homogene
          Krankheitsentität in viele kleine relevante Subgruppen zu
          unterteilen. Die Neuzulassungen bei zielgerichteten Sub-
          stanzen und Immun-Checkpointinhibitoren lassen eine
          Definition eines verbindlichen Therapiestandards kaum
          mehr zu. Am Beispiel des Lungenkarzinoms lassen sich
          diese Spannungsfelder gut nachvollziehen.

          Fragmentierung der Entitäten                         Neuerkrankungen               55.000
                                                               Lungenkrebs in
          Bis zur Identifikation der EGFR-Mutation als prognosti-  Deutschland
          scher und prädiktiver Parameter beim NSCLC fand eine
          Unterteilung nur nach histologischen Parametern statt.
          Mittlerweile unterteilt man die Erkrankung nach Muta-                               46.750
 IDENTIFIKATION DER BIOMARKER                                     Minus 15 % SCLC
 AM BEISPIEL VON    ROS1 < 1 %  tionsstatus und PD-L-Expression und hat je nach Ergeb-
          nis die Wahl zwischen zielgerichteten Therapien, einer
          Immuntherapie oder der Chemotherapie in der Erstlini-   Minus 18 %                  46.750
                                                                  5-J-Überleben
          ensituation. Im Falle der  ROS1-Translokation oder der
          BRAF-Mutation V600E findet sich das Merkmal nur bei     Minus 25 %
          1 % der Erkrankten, was eine Krankheitsinzidenz von     nicht therapiefähig          28.750
          weniger als 350  Patienten/Jahr ergibt. Trotz eindeuti-
          ger Testempfehlungen in nationalen und internationalen   davon ROS1-Inzidenz 1 %
          Leitlinien liegt die Testrate für beide genannten Merk-                              288
          male bei etwa 50 %, was die jährlich diagnostizierte
          Patientenzahl weiter relevant verringert.  Abbildung 1   ROS1-Testrate 50 %           144
          zeigt am Beispiel von ROS1, was dies für die Durchfüh-
          rung einer randomisierten Zulassungsstudie bedeutet.

          Ungewisser Therapiestandard
          Bei den zielgerichteten Therapien gibt es mittlerweile
          recht klare Standards. So wurden beispielsweise die   Abbildung 1
          Drittgenerations-TKI Osimertinib und Alectinib in der   Beispiel EUCROSS-Studie: Pre-Screening von ca. 6000 Patienten
          1 -line nicht mehr gegen Chemotherapie-Kombinationen   um 34 Patienten einzuschließen (Michels; DGHO 2016; V676)
          st
          sondern bereits gegen Erstgenerations-TKI getestet.

          In der Zweitlinientherapie des NSCLC ohne Treiber-
          mutation gibt es jedoch Empfehlungen für drei unter-
          schiedliche Checkpoint-Inhibitoren, die mit hoher Wahr-   Die Neuzulassungen
          scheinlichkeit nie gegeneinander getestet werden und   bei zielgerichteten
          auch nie gegen die Kombination von Docetaxel mit
          VEGF-Inhibitoren getestet werden. Somit stehen in der   Substanzen und Immun-
          Zweitlinientherapie fünf Therapieregime zur Verfü-  Checkpointinhibitoren
          gung, die sich nur im Falle von Nintedanib (nicht-Plat-
          tenepithelkarzinom) und Pembrolizumab (Nachweis    lassen eine Definition                               LÖSUNGSMÖGLICHKEITEN
          einer PD-L1-Expression) auf spezielle Subpopulationen
          beziehen. Ähnliches ist für die Erstliniensituation zu   eines verbindlichen
          erwarten. Diese zunehmende Fragmentierung der Thera-   Therapiestandards kaum
          pieoptionen einhergehend mit beträchtlichen Über-
          schneidungen und Unklarheiten sowie unterschiedlichen   mehr zu.


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