Page 19 - VISION 6 Sonderausgabe OnkoRat
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ONKOLOGISCHES QUARTETT
Molekulares
Tumorboard
Vier Meinungen und eine Vision
Uneinig sind sich Experten bislang, welche technischen
Plattformen sich durchsetzen werden, um molekulare
Autor: Prof. Dr. med. Florian Lordick Befunde und daraus resultierende gute klinische Empfeh-
lungen zu generieren.
Einigkeit besteht über den stetig wachsenden Bedarf Künstliche Intelligenz zur Unterstützung von Entschei-
an molekularer Tumorcharakterisierung im Kontext einer dungen steckt noch in ihren Anfängen. Experten auf dem
zeitgemäßen onkologischen Therapieplanung. Hoch- Gebiet der Computerwissenschaften beginnen erst, die
durchsatztechnologien werden benötigt, um molekulare Sprache der Onkologie zu lernen. Sie stehen außerdem
Alterationen in ihrer Breite und Vielfalt zu analysieren für die Unterstützung der Tumorboards nicht flächende-
und im Einzelfall auch komplexe Muster zu detektieren. ckend zur Verfügung. Überhaupt ist die Implementierung
Die Preisfindung sollte dem Ziel angemessen sein, mög- qualifizierter molekularer Tumorboards in der Breite der
lichst vielen Krebspatienten eine differenzierte moleku- Versorgung eine Herausforderung. Überregionale Lösun-
lare Diagnostik anbieten zu können, und zwar möglichst gen für personalisierte Onkologie werden benötigt, mit
frühzeitig im Verlauf ihrer Erkrankung. allem technischen Aufwand der Vernetzung und der not-
wendigen Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit.
Einigkeit besteht auch darin, dass die Entscheidungs-
findung im molekularen Tumorboard ein multidimensi- Kostenträger verfolgen darüber hinaus bislang keine kon-
onaler Vorgang ist. Neben molekularen Daten müssen solidierte Strategie im Umgang mit Empfehlungen aus
die klinischen Patientenmerkmale, Behandlungsverläufe molekularen Tumorboards. Zahlreiche potenziell wirk-
und bisher unzureichend berücksichtigte Wirts-Faktoren same Behandlungen bewegen sich außerhalb des europä-
berücksichtigt werden. Natürlich muss das wachsende ischen Zulassungsstatus und damit auch außerhalb der
Wissen aus der klinischen und präklinischen Forschung in Leistungsverpflichtung von Krankenkassen, verfolgt man
die Entscheidungsfindung eingehen. Vorgefertigte Lösun- ein traditionelles Vergütungsmodell. Hier ist noch Über-
gen werden der Entwicklung nicht gerecht. Wir betreten zeugungsarbeit zu leisten. Und wie immer in der Medizin:
ein „lernendes System“. Wirklich überzeugen kann man nur durch reproduzier-
bare Daten.
Prof. Dr. med. Florian Lordick Im Onkologischen Quartett diskutieren
Direktor Universitäres Krebszentrum vier Vertreter der Onkologie über die
Leipzig (UCCL), Direktor der Klinik
für Onkologie, Gastroenterologie, Gestaltung und Zukunft molekularer
Hepatologie, Pneumologie und Tumorboards.
Infektiologie
Universitätsklinikum Leipzig
3 Fragen, 4 Experten antworten:
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