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ONKOLOGISCHES QUARTETT
… über allem steht die Vision der Präzisionsonkologie, die –
so die Erwartung – eine Ära der besseren, da zielgerichteteren
und wirksameren Tumorbehandlung einläutet.
Der Niedergelassene Der Kliniker
Dr. Eray Gökkurt Prof. Dr. Uwe M. Martens
Niedergelassener Onkologe, Tumorzentrum Heilbronn-Franken
Stellv. Vorsitzender der AIO SLK-Kliniken Heilbronn GmbH
MOLIT Institut für personalisierte
Medizin
Durch die rasante Wissensentwicklung in der Präzisions- Die Entwicklung von NGS („next generation sequen-
onkologie sind gegenwärtig Plattformen wie die molekula- cing“)-Technologien hat in den vergangenen 10 Jahren
ren Tumorboards (MTB) gefragt, in denen sich Spezialisten einen Paradigmenwechsel in der Onkologie eingeläutet.
mit molekulargenetischer Erfahrung austauschen. Ziel ist Die technologische Entwicklung ist atemberaubend, und
es, hochspezifische, aktuelle Expertise zusammenzuführen es gelingt in immer kürzerer Zeit, das individuelle mole-
und Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium oder mit kulare Muster einer Krebserkrankung zu definieren. NGS
seltenen Tumorerkrankungen eine effektive Behandlung zu Befunde sind jedoch hochkomplex und lesen sich manch-
ermöglichen. Dabei braucht Molekularpathologie immer mal wie eine fremde Sprache. Hier ist interdisziplinärer
den Bezug zur individuellen klinischen Patientensituation, Sachverstand mit profunden Kenntnissen in genomischer
sprich dem Erkrankungsstadium, den bereits durchgeführ- Medizin gefordert, um den konkreten Behandlungsfall im
ten Therapielinien und selbstverständlich dem klinischen Kontext einer jeweiligen Therapielinie mit den aktuell
Zustand des Patienten. wissenschaftlichen Erkenntnissen genotypspezifischer
Therapiemöglichkeiten in Einklang zu bringen. Hier fun-
Gegenwärtig werden MTB meist an großen Zentren angebo- giert das molekulare Tumorboard als Schnittstelle zwi-
ten und befinden sich an mehreren Standorten in Deutsch- schen onkologischer Behandlung, klinischen Studien und
land im Aufbau. Die Zeichen der MTB stehen auf Wachstum. Forschung.
Auf ihrem Weg warten noch zahlreiche Herausforderungen
wie die Frage beispielsweise nach Qualitätsstandards, der Die Vorbereitung der Fälle ist sehr zeitintensiv, da die
Sicherstellung der Verfügbarkeit klinischer Daten der jewei- Bedeutung der nachgewiesenen funktionell relevanten
ligen molekularen Veränderung und dem Zugang für die Ver- Mutationen und Signalweg-Alterationen herausgearbei-
sorgungsbreite. tet werden muss. Dies erfordert den Abgleich mit ver-
schiedenen Datenbanken und Publikationen. Zusätzlich
Des Weiteren stellt sich die Frage, für wen zu welchem ist die Suche zur Teilnahme an einer geeigneten Studie
Zeitpunkt die molekulare Testung und Vorstellung in einem durch Softwaretools noch nicht perfekt möglich und
MTB sinnvoll ist. Sowohl Testung als auch Einbeziehung bedarf zusätzlicher manueller Recherche. Auch sollte die
eines MTB erfolgen meist erst, wenn Patienten austhera- Befundanforderung und -mitteilung nicht mehr als pdf-
piert sind und zuvor „sämtliche leitliniengerechte Behand- Text erfolgen. Insgesamt ergibt sich daher, dass die onko-
lungsangebote“ ausgeschöpft wurden. Hier sind Daten- logische Präzisionsmedizin nicht mehr ohne den Einsatz
banken und neue Studienkonzepte gefragt, die sowohl intelligenter Informationstechnologie zu bewältigen ist.
Sinnhaftigkeit der Therapieempfehlungen eines MTB hin-
terfragen als auch eine Wissensgenerierung sicherstel- Molekulare Tumorboards werden aus dem Boden sprie-
len und so zu einer steten Verbesserung der MTB und der ßen, und es müssen daher standardisierte und qualitäts-
Patientenversorgung führen. Hierzu müssen Daten nicht gesicherte Therapiealgorithmen etabliert werden. Eine
nur retrospektiv gesammelt werden, sondern auch pros- strukturierte Datenerfassung und Interoperabilität sind
pektiv aufgenommen werden und im Prinzip ein selbst- unabdingbare Voraussetzungen, um eine wissensgene-
lernendes System geschaffen werden. Dabei ist es in rierende Patientenversorgung zu ermöglichen und diese
Deutschland von besonderer Bedeutung, dass sich MTB der Forschung zugänglich zu machen.
nicht zu akademischen Glasperlenspielen entwickeln, son-
dern insbesondere lokale Behandler mit einbezogen werden.
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