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PRÄZISIONSONKOLOGIE & REAL WORLD DATA
Professor Dr. med. Tobias Dechow
Niedergelassener Hämatologe
und Onkologe in Ravensburg
apl. Prof. an der Technischen
Universität München
Forschungsschwerpunkt:
Präzisionsonkologie
Aktuell erscheint das Vorgehen - insbesondere im Hin-
blick auf die verschiedenen Versorgungssektoren - sehr
heterogen. An akademischen Zentren finden Veranlas-
sung der NGS Diagnostik, Analyse der Resultate mit
Molekulare Diagnostik & entsprechender Annotation, Diskussion im molekula-
tumoragnostische Therapie ren Tumorboard bis hin zu einer Therapieempfehlung
an einem Ort statt. Ein Beispiel: An der TU München
wird die NGS-Diagnostik im eigenen pathologischen
Ein denkbarer Weg, die Versorgung dieser Patienten zu Institut durchgeführt und anschließend in einem inter-
verbessern, ist die Anwendung moderner Diagnostik, disziplinären molekularen Tumorboard klinisch ausge-
Datennutzung und -bereitstellung im größeren Stil und wertet und diskutiert. Hier werden die oft komplexen
Bildung von klinisch-wissenschaftlichen Netzwerken molekulargenetischen Befunde interpretiert und in den
bzw. Plattformen. Eine individuelle, auf die jeweiligen klinischen Kontext gesetzt. Gerade dieser klinische
Charakteristika der Tumorerkrankung zugeschnittene Kontext stellt die zentrale Herausforderung von mole-
Behandlung wird unter dem Begriff Präzisionsonkolo- kularen Tumorboards dar (siehe Artikel Seite 17). Im
gie subsumiert. Diagnostisch stehen dabei histologi- Vordergrund stehen hierbei Studien mit kleiner Fall-
sche, insbesondere molekularpathologische Analysen zahl, retrospektive Analysen sowie Ansprechraten in
im Vordergrund. Mit der breiten Verfügbarkeit von Tumoren mit gleicher genetischer Veränderung aber
Next-Generation Sequencing (NGS) können sehr viele unterschiedlicher Histologie. Dieses Kernstück der Prä-
mögliche Genalterationen inklusive der Tumormutati- zisionsonkologie bedarf sowohl onkologischer Erfah-
onslast analysiert werden. Ziel ist es, genetische Verän- rung als auch profundem Wissen um die molekularen
derungen zu identifizieren, die therapeutisch nutzbar Charakteristika einzelner Tumorentitäten. Zudem ist
sind. Die Therapie richtet sich damit gegen die mole- auch eine Vorstellung von Patienten möglich, deren
kulare Alteration und nicht gegen Organzugehörigkeit Tumormaterial bereits extern gesichert oder auch in
oder Histologie. kommerziellen Laboren analysiert wurde.
Wo stehen wir aktuell? →
Bei aller Euphorie wird man jedoch häufig mit den
Limitationen dieses Vorgehens konfrontiert. So ließ
sich in einer Arbeit des MD Anderson Cancer Center bei
13 von 95 Patienten mit seltenen Tumoren eine mole-
kularpathologisch gerichtete Therapie identifizieren,
wovon 4 ein Ansprechen aufwiesen. Die entscheidende
Frage ist daher: Welche Möglichkeiten bzw. Stellschrau-
ben stehen zur Verfügung, den klinischen Nutzen prä-
zisionsonkologischer Ansätze für unsere Patienten zu
verbessern?
Welche Möglichkeiten bzw. Stellschrauben
stehen zur Verfügung, den klinischen Nut-
zen präzisionsonkologischer Ansätze für
unsere Patienten zu verbessern?
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