Page 7 - VISION 6 Sonderausgabe OnkoRat
P. 7

PRÄZISIONSONKOLOGIE & REAL WORLD DATA


                                Professor Dr. med. Tobias Dechow
                                Niedergelassener Hämatologe
                                und Onkologe in Ravensburg
                                apl. Prof. an der Technischen
                                Universität München
                                Forschungsschwerpunkt:
                                Präzisionsonkologie







                                                             Aktuell erscheint das Vorgehen - insbesondere im Hin-
                                                             blick auf die verschiedenen Versorgungssektoren - sehr
                                                             heterogen. An akademischen Zentren finden Veranlas-
                                                             sung der NGS Diagnostik, Analyse der Resultate mit
          Molekulare Diagnostik &                            entsprechender Annotation, Diskussion im molekula-
          tumoragnostische Therapie                          ren Tumorboard bis hin zu einer Therapieempfehlung
                                                             an einem Ort statt. Ein Beispiel: An der TU München
                                                             wird die NGS-Diagnostik im eigenen pathologischen
          Ein denkbarer Weg, die Versorgung dieser Patienten zu   Institut durchgeführt und anschließend in einem inter-
          verbessern, ist die Anwendung moderner Diagnostik,   disziplinären molekularen Tumorboard klinisch ausge-
          Datennutzung und -bereitstellung im größeren Stil und   wertet und diskutiert. Hier werden die oft komplexen
          Bildung von klinisch-wissenschaftlichen Netzwerken   molekulargenetischen Befunde interpretiert und in den
          bzw. Plattformen. Eine individuelle, auf die jeweiligen   klinischen Kontext gesetzt. Gerade dieser klinische
          Charakteristika der Tumorerkrankung zugeschnittene   Kontext stellt die zentrale Herausforderung von mole-
          Behandlung wird unter dem Begriff Präzisionsonkolo-  kularen Tumorboards dar (siehe Artikel Seite 17). Im
          gie subsumiert. Diagnostisch stehen dabei histologi-  Vordergrund  stehen  hierbei  Studien  mit  kleiner  Fall-
          sche, insbesondere molekularpathologische Analysen   zahl, retrospektive Analysen sowie Ansprechraten in
          im Vordergrund. Mit der breiten Verfügbarkeit von   Tumoren mit gleicher genetischer Veränderung aber
          Next-Generation Sequencing (NGS) können sehr viele   unterschiedlicher Histologie. Dieses Kernstück der Prä-
          mögliche Genalterationen inklusive der Tumormutati-  zisionsonkologie  bedarf  sowohl  onkologischer  Erfah-
          onslast analysiert werden. Ziel ist es, genetische Verän-  rung als auch profundem Wissen um die molekularen
          derungen zu identifizieren, die therapeutisch nutzbar   Charakteristika einzelner Tumorentitäten. Zudem ist
          sind. Die Therapie richtet sich damit gegen die mole-  auch eine Vorstellung von  Patienten möglich, deren
          kulare Alteration und nicht gegen Organzugehörigkeit   Tumormaterial bereits extern gesichert oder auch in
          oder Histologie.                                   kommerziellen Laboren analysiert wurde.

          Wo stehen wir aktuell?                                                                             →


          Bei aller Euphorie wird man jedoch häufig mit den
          Limitationen dieses  Vorgehens konfrontiert. So ließ
          sich in einer Arbeit des MD Anderson Cancer Center bei
          13 von 95 Patienten mit seltenen Tumoren eine mole-
          kularpathologisch gerichtete Therapie identifizieren,
          wovon 4 ein Ansprechen aufwiesen. Die entscheidende
          Frage ist daher: Welche Möglichkeiten bzw. Stellschrau-
          ben stehen zur Verfügung, den klinischen Nutzen prä-
          zisionsonkologischer Ansätze für unsere Patienten zu
          verbessern?



                                                             Welche Möglichkeiten bzw. Stellschrauben
                                                             stehen zur Verfügung, den klinischen Nut-
                                                             zen präzisionsonkologischer Ansätze für
                                                             unsere Patienten zu verbessern?




                                                                                                             7 7
   2   3   4   5   6   7   8   9   10   11   12