Page 7 - VISION 4 Wissensmanagement in der Onkologie
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SCHWERPUNKT WISSENSMANAGEMENT IN DER ONKOLOGIE












                                     RCT                                              RWD







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                                                             Neben diesem Gewinn für die Leitlinienevalua-
         Nach dem methodischen Regelwerk greifen S3-Leitlinien   tion werden RWD aber auch im Erstellungs-
         bislang auf hochwertige und belastbare Evidenz zurück.   prozess der Leitlinien eine zunehmende Rolle
         Hierbei soll möglichst durch aggregierte Evidenzquellen
         die Grundlage für Empfehlungen mit hoher Empfehlungs-  spielen:
         stärke gelegt werden. Aggregierte Evidenzquellen sind
         in erster Linie Metaanalysen und systematische Über-        Beim Fehlen von klinischen Studien zu bestimm-
         sichtsarbeiten einzelner prospektiv-kontrollierter rando-  ten Fragestellungen können Routine-Registerdaten
         misierter Studien (RCTs). RCTs gelten in der evidenzba-  genutzt werden, um konsensbasierte Empfehlungen
         sierten Medizin als der Goldstandard, da das Risiko für   zu begründen und zu graduieren.
         einen Verzerrungseffekt am geringsten ist.
                                                                   Leitlinien erfüllen jedoch auch den Auftrag, einen
         Auf der anderen Seite müssen die Ergebnisse bzw. Effekte   bestehenden Forschungsbedarf bei Fehlen von Evi-
         aus diesen Studien durch eine konsequente Anwendung   denz aus prospektiven Studien zu definieren. Hier-
         der Leitlinien auch in der Versorgungsroutine darstell-  bei können RWD auch zur Optimierung der Effizienz
         bar sein. In einzelnen Studien ist dieser Umkehrschluss   von klinischen Studien genutzt werden, zum Bei-
         nachvollziehbar gelungen. So konnte das BRENDA-Stu-   spiel, um Hypothesen zu generieren oder geeignete
         diennetzwerk an einem Kollektiv von 13.000 Patientin-  Biomarker zu identifizieren.
         nen mit einem primären Mammakarzinom beispielhaft
         zeigen, dass eine leitlinienkonforme Therapie im Ver-        Außerdem können RWD die Grundlage für Studien-
         sorgungsalltag ähnliche Studienergebnisse bzw. Effekte   entwicklungen bilden, bspw. um Ein- und Aus-
         reproduziert wie in den RCTs, die der Leitlinie zugrunde   schlusskriterien für Studienpopulation festzulegen
         liegen, und dass letztlich die Anwendung der Leitlinie   oder die geographische Verteilung möglicher Stu-
         in zertifizierten Brustzentren zu einer Verbesserung des   dien-Kohorten zu beschreiben. Dieser Bedarf kann
         Überlebens führt.                                     dann in Leitlinien klar aufgezeigt werden.


         Durch die Möglichkeiten des technologischen Fortschrit-
         tes und der Digitalisierung wird es in Zukunft möglich
         sein, dieses System eines „Proof-of-Concepts“ von Leit-   Evidenz aus RWD muss sehr komplexe methodi-
         linien in verschiedenen Real-World-Datensätzen anzu-
         wenden, um Effekte von Leitlinien direkt in der Versor-  sche Adjustierungsvorgänge unterlaufen, bevor
         gung zu messen und zu quantifizieren. Zu den Daten-  diese in den Leitlinienprozess und die -evalua-
         sätzen zählen elektronische  Patientenakten, digitale   tion eingebracht werden kann. Auch wenn die
         Anwendungen,  Beobachtungs-  bzw.  Kohortenstudien,   Güte prospektiver Studien nicht erreicht werden
         Verordnungs- und insbesondere qualitätsgesicherte,   kann, sind qualitätsgesicherte RWD ein wichtiger
         prospektive Registerdaten. Somit existiert neben den
         prospektiv-kontrollierten und randomisierten Studien   Baustein, der im Rahmen der Digitalisierung im
         eine Evidenz aus dem Versorgungsalltag, die zunehmend   Kontext von Leitlinien zunehmend an Bedeutung
         nutzbarer sein wird.                                gewinnen wird.


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